

Vor zwei Wochen bekam ich von einer Kollegin einen Newsletter weitergeleitet, dessen Inhalt mein grünes Herz sofort höher schlagen ließ: Die »Squirrel News« hatten eine Presseschau mit lauter – mir bis dato unbekannten – Aufforstungsartikeln aus verschiedenen Medien zusammengestellt. Da wird etwa ein weiterer indischer Baumpflanzer vorgestellt, zwei brasilianische Schwestern, die sich die Wiederherstellung des Atlantischen Regenwalds zur Aufgabe gemacht haben, eine russische Aufforstungsaktivistin und auch deutsche Bürgerinitiativen wie »Citizens Forest« aus Hamburg. Dazu kommen noch Nachrichten aus den in Sachen Aufforstung besonders engagierten Ländern Äthiopien, China, Mongolei sowie Neuigkeiten zum afrikanischen Mega-Aufforstungsprojekt »Great Green Wall«.
Ja, richtig, das Ganze ist tatsächlich so etwas wie ein Update meines Buchs – inklusive Artikeln zur Wald-Aussaat mittels Drohnen sowie einem lesenswerten Artikel über einen Holländer, der den Sinai begrünen möchte.
Hier geht es zur Browser-Version von Eichhörnchens hoffnungsvoller Presseschau.
Hier ist ein Interview, das meine Begeisterung fürs Thema Wiederbegrünung aufs Neue anzufachen weiß. Martin Kirchner von den »Pioneers of Change« führt es mit Steve Fitch, dem Begründer der Aufforstungsorganisation »Eden Reforestation Projects«, die an fast 230 Stellen in acht Ländern innerhalb von rund 15 Jahren bislang an die 500 Millionen Bäume pflanzte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sich die Organisation zuletzt zu einem riesigen »Wesen« gemausert, wie Steve Fitch sich ausdrückt. In den letzten anderthalb Jahren sei das Spendenaufkommen mit einem Wachstum von 300 bis 400 Prozent schier explodiert (ich nehme an, das hängt mit dem Erscheinen meines Buchs im November 2019 zusammen 😉 )
Dr. Steve Fitch wuchs als Sohn von Missionaren auf den Philippinen auf und hat dort mit ansehen müssen, wie das Paradies seiner Kindheit u.a. durch Abholzung zerstört wurde. Der Präsident bzw. Premierminister von Äthiopien überredete ihn dann im Jahr 2005, ein regionales Aufforstungsprojekt zu übernehmen, bei dem in drei Jahren kein einziger Baum durchgekommen war. Steve Fitch hatte damals bereits einige Erfahrungen auf dem Feld der herkömmlichen Entwicklungshilfe gesammelt. Wie er im Videointerview berichtet, half ihm ein spezieller Ansatz dabei, das Problem zu erkennen – und später hat er auch festgestellt, dass sehr viele Landschafts-Wiederherstellungen daran scheitern, dass die Menschen vor Ort kaum Vorteile davon haben. »Unsere Wiederaufforstung beginnt deswegen mit Armutsbekämpfung«, sagt er: Die Abertausende von Leuten, mit denen Eden Reforestation Projects auf der ganzen Welt zusammenarbeitet, werden dafür bezahlt, dass sie Bäume vorziehen, pflanzen und über viele Jahre hinweg beschützen. Mit den ökologischen Vorteilen müssten stets sozioökonomische Vorteile einhergehen.
Nach fünfzehn Jahren Erfahrung auf dem Feld der Wiederbegrünung glaubt Steve Fitch, dass man sich um die Überlebensrate der angepflanzten Bäume eigentlich keine Gedanken machen müsse. Das Wichtigste sei, mittels einheimischer Pioniergehölze wieder ein Blätterdach entstehen zu lassen, anschließend würde die Natur seiner Erfahrung nach alles Weitere übernehmen, um die jeweils regional typischen artenreichen Wälder zu entwickeln. Auch mit Seedballs/Samenbomben hat er experimentiert und will diese Technik auch weiterhin anwenden, wo sie sich anbietet.
Im Interview spricht Dr. Steve Fitch von seinen Sorgen, er erzählt Erfolgsgeschichten und teilt seinen Traum: dass das Bäumepflanzen bald zu einer riesigen, weltweiten Volksbewegung wird!
Mein Buch beinhaltet unter anderem Kapitel zu drei indischen Do-it-yourself-Aufforstern, Abdul Kareem, Jadav Payeng sowie Visheswar Dutt Saklani. Gestern entdeckte ich nun zufällig einen Artikel über einen weiteren Baumpflanzer vom indischen Subkontinent. Satyendra Mandjhi aus dem an Nepal angrenzenden Bundesstaat Bihar hat innerhalb von fünfzehn Jahren auf kargem Boden eigenhändig zehntausend Obstbäume, hauptsächlich Guaven, angepflanzt. Seine Geschichte findet sich auf Deutsch auf den Seiten der Netzfrauen.
Hier ein dreiminütiges englischsprachiges Video zum beeindruckenden Schaffen von Satyendra Mandjhi und seinen Motivationen. (In dem Filmchen macht die Gegend allerdings keinen allzu »kargen« Eindruck.):
»Ich kann sie nicht davon abhalten, den Amazonas zu vernichten. Was ich hingegen tun kann, ist einen Baum zu pflanzen.«
W. S. (William Stanley) Merwin gehörte zu den wichtigsten US-amerikanischen Dichtern, er lebte von 1927 bis 2019. Aufgewachsen in New Jersey und Pennsylvania, kultivierte er zunächst Wörter und wurde ein namhafter und preisgekrönter Lyriker, ein Autor und Übersetzer von mehr als 50 Büchern. W. S. Merwin war Preisträger der meisten einschlägigen literarischen Auszeichnungen, inklusive zweier Pulitzer-Preise 1971 und 2009. In der Zeit des Vietnam-Kriegs engagierte er sich in der Friedensbewegung, sein Schreiben ist unter anderem vom Buddhismus und der Tiefenökologie beeinflusst. In den späten 1970er Jahren kam Merwin nach Maui, der zweitgrößten Insel des Archipels Hawaii im Pazifischen Ozean. 1977 erstand er im Pe’ahi Valley an der Nordküste Mauis eine Fläche von 1,2 Hektar Ödland, die einmal zu einer Ananas-Plantage gehört hatte. Dort wuchs zu dem Zeitpunkt kaum mehr etwas, weil der Boden durch Pestizideinsatz und Abholzung zugrundegerichtet worden war. Mervin erzählte von seinen Motiven zu dem scheinbar unvernünftigen Kauf: »Das Land war für sehr wenig Geld zu haben. Der Zustand des Bodens entmutigte mich nicht so sehr, ich dachte mir vielmehr, dass es Freude machen könnte, auszuprobieren, was sich aus dem Gelände noch machen ließe – vielleicht könnte ich es ja irgendwie noch retten. Schon lange hatte damals ich auf die Gelegenheit gewartet, einmal ein Stückchen der Erdoberfläche, die fast überall durch den menschlichen ›Fortschritt‹ zugrundegerichtet wird, wiederherzustellen.« An seine erste Begegnung mit dem Land erinnerte er sich so: »Der Hang gefiel mir, wie er da ganz ohne Beeinträchtigung durch den Lärm von Maschinen dalag, und wie der Wind des Spätsommers durch die gelbbraunen, trockenen Gräser fuhr.«
Zu den wenigen Pflanzen, die dort noch wachsen wollten, gehörte die auf Hawaii einheimische Palme. Also begannen Merwin und seine Frau Paula den Boden zu verbessern und während der Regenzeit täglich einen weiteren Baum zu pflanzen. Die Samen für die Setzlinge hatte W. S. Merwin aus der ganzen Welt zusammengesammelt. Die jungen Palmen wurden so lange mit Kompost, Gartenabfällen und mit in Eimern herbeigetragenem Abwaschwasser versorgt, bis ihre Wurzeln in die Tiefe gewachsen waren und sie selbstständig gedeihen konnten.
Das Ehepaar Merwin lebte ebenfalls vom Regenwasser, das sie in auf dem Gelände verteilten Zisternen auffingen. Dieses Wasser wird durch die Schwerkraft »gepumpt« und durch Schichten von Holzkohle, Sand und Korallen gefiltert und so trinkbar gemacht. Tatsächlich spiegelt so gut wie jeder Aspekt von Haus und Garten die Vorstellungen und Gefühle W. S. Merwins hinsichtlich der Natur und der Kunst. Das Grundstück ist so gestaltet, dass es einen hohen Grad an Selbstversorgung ermöglicht. Als er das Fundament für das Haus legte, achtete Merwin darauf, das Land nur im Ausnahmefall durch die Nutzung schwerer Maschinen zu stören; den Gebrauch von Zement beschränkte er auf den Bau dreier Zisternen, des Werkstattbodens sowie der Fundamente des Hauses. Bereits seit einem Vierteljahrhundert wird das Gebäude nun mit Solarstrom versorgt. Der vom Blätterdach geworfene Schatten hält das tropische Haus auf natürliche Weise kühl – fast 3000 Palmen aus rund 400 Arten und 125 Gattungen wachsen heute auf dem Gelände.
Gefragt, wie denn das Dichten und das Gärtnern zusammenpassten, antwortete Merwin: »Beide Beschäftigungen entspringen letztlich derselben Quelle. Von Anfang an gehe ich beim Bestellen des Gartens ziemlich intuitiv vor, ständig lerne ich dazu, von Rückschlägen ebenso wie von Erfolgen. Beim Gärtnern führt immerzu eins zum anderen – und genau so verhält es sich auch beim Dichten: Meiner Erfahrung nach ist es so, dass jedes echte Gedicht den Dichter förmlich überrumpelt.«
Mit seinem Garten hatte Merwin eigentlich nicht beabsichtigt, so etwas wie einen Arche-Noah-Schutzpark für seltene Palmen aufzubauen. Doch laut Chipper Wichman, dem Direktor des Hawaiian National Tropical Botanical Garden, hat der Dichter genau das geschaffen: »Wir haben hier so etwas wie ein genetisches Sicherheitsnetz [zur Erhaltung der Palmen-Vielfalt]«, sagt Wichman in einem Fernsehbeitrag über den Palmengarten. Dieses Sicherheitsnetz sei sehr wertvoll, denn Abholzung, invasive Arten und die Erderhitzung setzen den Palmengewächsen weltweit zu. »Wir wissen heute, dass 80 bis 90 Prozent der Biodiversität des Planeten in tropischen Regionen zu finden ist; ein Drittel dieser Arten ist vom Aussterben bedroht. Palmen spielen in diesen Ökosystemen eine Schlüsselrolle.«
Die Familie der Palmengewächse enthält 183 Gattungen mit etwa 2600 rezenten Arten. In der Familie findet sich das längste Blatt (bei Palmen der Gattung Raphia mit bis zu 25 Meter Länge), der größte Samen (von der Seychellenpalme Lodoicea maldivica mit bis zu 22 Kilogramm Gewicht), und der längste Blütenstand des Pflanzenreichs (in der Gattung Corypha) mit einer Länge von etwa 7,5 Metern und geschätzten 10 Millionen Blüten pro Blütenstand).
Angeführt vom britischen Experten John Dransfield haben sich Mitarbeiter des Botanischen Gartens im Jahr 2013 an die Aufgabe gemacht, sämtliche Palmen in Merwins Garten zu identifizieren und zu katalogisieren, die Fläche zu kartographieren. Die daraus entstandene Datenbank steht heute Forscherinnen und Forschern auf der ganzen Welt zur Verfügung.
Bereits im Jahr 2010 hatte W. S. Merwin gemeinsam mit seiner Frau die »Merwin Conservancy« gegründet; die Organisation widmet sich dem Erhalt ihres abgelegenen und selbsterrichteten Hauses und des auf etwa 7,7 Hektar angewachsenen Palmengartens, der zu den größten und artenreichsten der Welt zählt.
Über den eigenen Garten hinaus engagierte W. S. Merwin sich zudem für die Pflege und Wiederherstellung der Reste des ursprünglichen Regenwalds auf Maui. Und während es höchst unsicher ist, dass Luther tatsächlich gesagt hat, er würde auch dann noch ein Apfelbäumchen pflanzen, wenn er wüsste, dass die Welt morgen untergeht, so darf das folgende Zitat wohl mit Fug und Recht W.S. Merwin zugeordnet werden: »On the last day of the world I would want to plant a tree.«
Das Potenzial für eine bäuerliche Landwirtschaft der Waldgärten und für andere Agroforst-Ansätze scheint insbesondere in Äquatornähe riesig. Heute erhielt ich den Hinweis auf ein halbstündiges Feature, das der SWR im April 2019 gesendet hat. »Gesunde Böden für Haiti« von Thomas Kruchem befasst sich auf sehr gute Weise mit einem Projekt zur Einführung von Waldgärten auf Haiti. Das karibische Land ist gezeichnet von Kolonialismus, Entwaldung, Wirbelstürmen und politischen Katastrophen. Eine Wiederbegrünung mit Agroforstsystemen könnte zur Linderung oder gar Behebung zahlreicher Probleme Haitis beitragen.
Bereits vor längerer Zeit hatte ich mir ein elfminütiges Video angesehen, das zeigt, wie der New Yorker Sidney Etienne nach Haiti zog, um gemeinsam mit der Bevölkerung für neue Bäume zu sorgen.
Ausserdem sehenswert ist ein sechsminütiger Film über die Manu-Region in Peru. Jahrzehntelang praktizierten die dortigen Bewohnerinnen und Bewohner Brandrodung, um jeweils für einige Jahre Ackerland zu gewinnen. Der Kleinbauer Reynaldo Ochoa erkannte irgendwann, dass mit dieser Methode bald kein Regenwald und kein fruchtbarer Boden mehr vorhanden sein würde. Also begann er, zehntausende Bäume heranzuziehen und zu pflanzen. Heute ist er neben der regionalen Aufforstung auch damit beschäftigt, seinen Mitmenschen Agroforstwirtschaft und Permakultur als enkeltaugliche Alternativen zur Brandrodungs-Landwirtschaft näherzubringen. Hier kann man sich die inspirierende Geschichte ansehen.
Es scheint fast, als sei alle Welt heute damit beschäftigt, Bäume zu pflanzen; unter anderem zahlreiche forstbranchenfremde Unternehmen versuchen augenscheinlich mit derartigen Aktionen und Investitionen eine grüne Aura zu erlangen. Doch wie kann der Unterschied beschrieben werden zwischen Bäumen/Wäldern, die einen guten Beitrag leisten für die Zukunft unseres Planeten, und solchen, die die Klimakrise tatsächlich sogar verstärken? Die Leute von »Ecosia« – der Internet-Suchmaschine, die Bäume pflanzt – haben kürzlich ein elfminütiges Video veröffentlicht, das in dieser Problematik Klartext spricht. Ich habe im Folgenden die ersten fünf Minuten des sehenswerten englischsprachigen Films übersetzt. Leider scheint sich die Mini-Doku in ihrer Kritik auf tropische Monokulturen zu beschränken. Dass das hier Gesagte jedoch auch etwa auf deutsche Kiefern-Monokulturen passt, kann jeder Mensch nachvollziehen, der sich die Mühe macht, bei einem Spaziergang die riesigen Unterschiede zu einem gewachsenen Mischwald mit eigenen Sinnen zu erfahren.
»Zu den größten Lügen unserer Zeit gehört, dass Bäume pflanzen kinderleicht sei. Tatsächlich aber kann vieles schief gehen: Wenn man beispielsweise Monokulturen pflanzt anstatt Mischwälder, schafft man damit aus ökologischer Sicht »tote Zonen«. Pflanzt man nicht-einheimische Baumarten, können diese einheimische Bäume verdrängen und so langfristig die Artenvielfalt zerstören. Und hinzu kommt, dass wenn man nicht mit den Dorfgemeinschaften vor Ort zusammenarbeitet, die Setzlinge wahrscheinlich eingehen werden.
Nicht alle Aufforstungsprojekte sind gleich gut. Wenn man weiß, worauf es ankommt, ist es jedoch nicht allzu schwer, die Unterschiede zwischen enkeltauglichen und zerstörerisch wirkenden Pflanzungen zu erkennen.
Palmölplantagen sind zum Beispiel keine Wälder, sondern Monokulturen – industriell gepflanzte Plantagen mit nur einer Kulturpflanze, etwas, das als »grüne Wüste« bezeichnet werden kann. Wenn man in so eine Plantage geht, fällt auf, dass der Boden hart ist und die Luft gespenstisch still – kein Vogel ist zu hören. Monokulturen bedrohen die natürliche regionale Artenvielfalt, denn das vielfältige natürliche Leben findet hier nicht die ganze Bandbreite an Nahrung und Lebensräumen, die für ein gutes Gedeihen nötig wäre. Für gewöhnlich werden Monokulturen angelegt, um billiges Holz, billiges Kautschuk, billiges Palmöl zu produzieren. Diese Rohstoffe sind meist für den Export in energie- und materialhungrige Industriestaaten bestimmt. Die Erzeugerländer bleiben dabei auf den wahren Kosten sitzen: allgemeiner ökologischer Niedergang, Wasserverschmutzung etwa durch Pestizide, Bodenverarmung sowie ungerechte Arbeitsbedingungen für die Bevölkerung. Seit den 1980er Jahren hat die Ausbreitung von tropischen Baum-Monokulturen um das Fünffache zugenommen – auch in Hinblick auf die Erdüberhitzung ist das eine beängstigende Entwicklung. Denn während natürlich gewachsene, artenreiche Wälder riesige Mengen an Kohlendioxid zu speichern in der Lage sind, emittieren Baum-Monokulturen unterm Strich oft sogar mehr CO2 als sie aufnehmen, denn sie bringen den Boden durcheinander und werden sehr oft anstelle von alten, natürlich gewachsenen Wäldern angelegt. Selbstverständlich haben Monokulturen ihre Vorteile; so ist es oft eine gute Sache, wenn etwa Bauern eine eigene kleine Holzplantage betreiben, anstatt ihren Holzbedarf aus alten Wäldern zu decken. Größere Monokulturen sind in ihren Auswirkungen jedoch fast immer zerstörerisch. In Indonesien fällt die weitflächige Umwandlung der Primärwälder in Monokulturen besonders ins Auge; in den vergangenen drei Jahrzehnten wurde ein Viertel der indonesischen Wälder auf dem Altar des billigen Palmöls geopfert. In der Regel läuft das folgendermaßen ab: Multinationale Konzerne kommen ins Land und kaufen im großen Stil Land von Kleinbauern; sie fällen riesige Waldflächen, um Platz für den Palmöl-Anbau zu schaffen – der dann mit Hilfe von massenhaftem Pestizid- und Kunstdüngereinsatz betrieben wird. Wenn der Boden durch diese Praxis nach einigen Jahren vollständig ausgelaugt ist, ziehen die Firmen in andere Gebiete des Regenwalds weiter – kurz: Sie handeln so, als sei die Natur ein unendliches Vorratslager und eine willige Klärgrube.
All diesen offensichtlichen Fehlentwicklungen zum Trotz, definieren internationale Institutionen wie die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO), die Weltbank und auch eine Reihe von Regierungsbehörden Monokultur-Plantagen noch immer als »Wälder« – was freilich nur als Lüge bezeichnet werden kann.
Bei auf Nachhaltigkeit angelegten Waldpflanzungen [hiervon handelt der zweite Teil des Films] wird hingegen darauf geachtet, eine möglichst große Bandbreite an autochthonen (einheimischen) Gehölzen zu pflanzen: Arten, die sich gegenseitig darin unterstützen, CO2 zu speichern, den Wasserkreislauf zu regulieren, dem Boden Nährstoffe zuzuführen und die Vielfalt an Flora und Fauna weiter anwachsen zu lassen …«
Gestern fiel mir durch einen Zufall die Ostsee-Zeitung vom 12. Dezember in die Hände. Unter der Schlagzeile »Backhaus will Millionen Bäume pflanzen lassen« findet sich auf dem Titelblatt das Konterfei des hiesigen Landwirtschafts- und Umweltministers sowie ein Zitat, das sofort an die Baumpflanzpflicht in der Volksrepublik China denken lässt. In meinem Buch heißt es: »Seit 1981 sind jedes Jahr am 12. März, dem nationalen Baumpflanztag, alle gesunden, über elf Jahre alten Chinesinnen und Chinesen angehalten, jeweils drei bis fünf Bäume zu pflanzen, Setzlinge vorzuziehen oder Jungbäume zu pflegen; alternativ kann man sich durch Zahlung einer Gebühr von der Pflanzpflicht freikaufen.« Till Backhaus (SPD) hat nun anlässlich der Vorstellung seines »Waldprogramms 2030 verlautbart: »Jeder Einwohner, vom Kleinkind bis zum Rentner, sollte pro Jahr drei Bäume pflanzen.«
Um endlich die Bewaldungsquote des diesbezüglichen Flächenland-Schlusslichts Mecklenburg-Vorpommern zu erhöhen, hat sich Till Backhaus offenbar etwas Neues einfallen lassen, darunter die Idee »Die Bürger pflanzen, das Land zahlt«. Bei drei Bäumen pro Mensch seien das jährlich 4,8 Millionen Bäume mehr, 1000 Hektar Wald. Wie der Mann sich das genau vorstellt, möchte er aber wohl erst Anfang 2021 erklären.
Ich bin ja wirklich gespannt, wie Herr Backhaus die Menschen für diese Sache einspannen will. Einen Baumpflanz-Zwang fände ich jedenfalls um Einiges sinnvoller als das neue Impfzwang-Gesetz des Bundes (und ich sage das als jemand, der eigentlich prinzipiell jeder Form von Zwangsanwendung sehr skeptisch gegenübersteht).
Mein Verleger Matthias machte mich heute auf einen Artikel der Seite Nordbayern.de vom August aufmerksam. In dem Beitrag geht es um einen bayrischen Investor, der zusammen mit der TU München eine energieeffiziente Methode, um Meerwasser zu entsalzen, entwickeln möchte. Mit dem Wasser könnten dann große Städte versorgt und Wüsten begrünt werden. Ein auf den ersten Blick durchaus interessanter technischer Ansatz. Hier gehts zum Artikel, in dem auch von der Möglichkeit die Rede ist, vorgeklärte Haushaltsabwässer für die Etablierung von Aufforstungen zu nutzen. Im Buch habe ich verschiedentlich kurz auf diesen Ansatz hingewiesen, etwa auf Seite 109.
Im Magazin der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Freitag findet sich eine schöne kleine Geschichte über einen weiteren Do-it-yourself-Aufforster, der im Verborgenen wirkt.
Auch in Indien, wo bestimmte Flüsse und Haine seit Jahrtausenden als etwas Heiliges betrachtet und mit Gottheiten in Verbindung gebracht werden, hat sich ein Geistlicher für das Bäumepflanzen stark gemacht (vergleiche den Blogbeitrag zum »Baum-Bischof«). Der spirituelle Lehrer Jaggi Vasudev aka Sadhguru unternahm zusammen mit Freiwilligen einen »Marsch für die Flüsse«. In dreißig indischen Städten warb die Bewegung dafür, die großen und kleinen Fließgewässer des Landes vor Austrocknung und Verschmutzung zu bewahren. Für dieses Ziel propagieren die Aktivistinnen und Aktivisten auch großflächige Aufforstungen. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, pflanzten sie eigenhändig Millionen Bäume. 2016 gab Sadhguru im Gebäude der UNO in New York ein Interview, in dem er unter anderem sagte: »Als wir sahen, dass die Flüsse austrockneten und der Grundwasserspiegel immer noch tiefer sank, entschied ich, im Bundesstaat Tamil Nadu 114 Millionen Bäume zu setzen. Die Sache war einfach: Ich bat tausende Leute, sich unter einen Baum zu setzen, um auf diese Weise einen Yoga-Prozess in Gang zu setzen, bei dem die Menschen die Erfahrung machen konnten, dass die Bäume das, was sie ausatmen, einatmen, und dass wir Menschen das, was die Bäume ausatmen, einatmen. Plötzlich konnten es alle wahrnehmen: Die Hälfte unserer Lunge hängt ja da in den Bäumen! Sobald sie das kapierten, gab es kein Halten mehr. Seit damals setzten sie Jahr für Jahr Millionen und Abermillionen Bäume. Alles ganz gewöhnliche, einfache Leute…«
Links:
Zur Rally-for-the-Rivers-Kampagne auf der Homepage des Sadhguru
Skript eines Features vom Deutschlandradio, in dem auch von der Baumpflanzkampagne Sadhgurus die Rede war
Artikel aus der Times of India
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